Fest van Cleef, 30.11.2012, Muffathalle, München

Die Glückshormone tanzen immer noch im Kreis. Was für ein Abend!?
Aus der jetzigen Sicht, kommt mir schon die Frage, warum war ich nicht eher dort? Die Zeitschleife zog mich erst kurz vor Neun in die altbewehrte und ewig kultivierte Muffathalle, gerade als Jukebox the Ghost, sich schon an die letzten Stücke ihrer Darbietung machten. Sah ich nun auch nur knapp zwei Stücke, hab ich die Jungs doch augenblicklich ins Herz geschlossen. Sowas von eingängig und gutklingende Musik zu machen, ist entweder eine Gnade oder ein Verbrechen. Ein Verbrechen ist auch, dass ich die Band bisher kaum wahrnahm.
Frage mich aber auch immer wieder bei den van Cleef-Festivals, wie die Jungs und Mädels des Labels es jedes Mal fertigbringen, so wunderschöne Musik aus den großen Weltmeeren der Klänge zu fischen. Wo und wie bekommen die diese Bands mit, und machen nebenbei, beinah wie selbstverständlich, auch selbst noch gute Platten. Platten wie das Thees Uhlmann und das aktuelle Kettcar-Album ausweisen.
Während des Umbaus, nachdem Jukebox the Ghost die Bühne verlassen hatten, bot sich mir die Gelegenheit etwas durch die Halle zu streunern, und Blicke und Gedanken umherziehen zu lassen.
Kann mich nicht erinnern, in letzter Zeit so ein gemischtes Publikum gesehen zu haben. Der Hauptteil wird aus studierenden Menschen bestanden haben, daneben waren aber auch jüngere Menschen und ebenso Menschen, die das Studium bereits weit hinter sich hatten, anzutreffen. Der Anteil von unter Achtzehnjährigen jedoch, wird sehr gering ausgefallen sein. Aber im Großen und Ganzen, war der Abend ganz gut gemischt. Kettcar hat das Detail dann auch interessiert, und gefragt wer über und wer unter Dreißig zu zählen ist.
Die Atmosphäre war sehr lebendig und gut euphorisch.
John K. Samson, Mitstreiter der Weakerthans, war der nächste Streich des Abends. Ein ganz normaler Mann mit Vollbart und Gitarre. Verstärkt durch ein weiteren unscheinbaren, jungen Mann an einer Elektro-Gitarre und einer begnadeten Stimme. Die beiden Herren alberten herum, possten mit ihren Gitarren und sangen, unsagbare schöne, traurige, wie selbstironische Songs. Die Räumlichkeiten schienen mir unheimlich warm und einzigartig, durch die Leuchtkraft der gespielten Stücke. Ein wirklich beseeltes und humorvolles Set, das wohl ein dreiviertel Stunde gewährt hat.
Darauf erfolgte der Hinweis auf Kettcar und eine erneute Umbaupause. Diesmal fiel mir immer wieder der Boden auf, und wie oft ich daran mit meinen Sohlen kleben blieb. Da müssen einige Getränke, den Weg in die Freiheit gesucht haben.
Beim Blick auf das Label-Banner, dass auf der Bühne hing, verstand ich die Idee mit dem Hotel auf einmal, nochmal anders. Und fragte mich, habe die Gründer vor zehn Jahren wirklich schon so weit gedacht? Ein Label wie ein Hotel - die Gäste kommen und gehen, ein Grand Hotel, das für seine Künstler da ist, und deren Namen, für das Label sprechen. Besser geht's doch gar nicht oder? Und das Label ist heute wirklich relevant.
Das Fest zum Label bog nun in die Ziellinie ein. Kettcar traten nach einem sphärischen, monotonem Geräusch auf die Bühne und begannen zu heizen. Und wie als hätten alle nur darauf gewartet, gerettet zu werden, machte den Auftakt des Gigs, "Rettung". Dieser Abend war mein dritter Anlauf, die Jungs live zu sehen, und als sie nun da standen, konnt ich's fast nicht glauben. Sie waren es wirklich und sie waren in Spiellaune. Und dann spielten Sie auch noch das Stück, dass mir aufgrund einer Umschreibung, während eines Interviews für den WDR, seinerzeit als erstes im Gedächnis blieb. Es folgten Klassiker wie "Balkon gegenüber" oder "Ich danke der Academy", Anekdoten und "Und das geht so!" - ein Klassiker auf den ich wirklich gewartet hab und er hat's gesagt. Womit ich bei der Aussage so mancher Texte auch nicht rechnete, war, das es verschiedene Lichtkonzepte zu vielen Songs gab. Am eindrucksvollsten und ernüchternsten war wohl "Schrilles, buntes Hamburg". Die Bühne in schwarz-weiß gehalten und in Nebel gehüllt, wozu die pressenden Akkorde durch die Halle schlugen, formte sich ein anderes Bild von Kettcar - frei nach dem Motto, "Wir können auch anders!". Dagegen wirkte "Stockhausen, Bill Gates und ich", durch die mitsingenden Kehlen, fast wie auf Platte. "Balu" war sehr anrührend und sehr gefühlvoll, durch das bestechende blau der Bühne und der im Laufe des Stücks, eingeschaltende Diskokugel. "Money left to burn", "Im Club", "Kein Aussen mehr" und "Deiche" waren sehr energiegeladen, sehr gradeaus druckvoll, emotional. "Der apokalyptische Reiter und das besorgte Pferd" einfach mitreisend, und "48Stunden", "Im Taxi weinen" und "Am Tisch", schlicht grandios. Zu zwei Zugaben ließen sich die Herren hinreißen, die Sie heldenhaft absolvierten, und erkennen ließen, dass 1 1/2 Stunden voller Einsatz auf einer Bühne, auch Kraft kosten. Die angekündigten 4 1/2 Stunden, blieben sie den feierenden Fans schuldig. Geadelt wurde die Nacht durch den wirklich letzten Song der Zugaben, in den Kettcar noch mal all ihre Leidenschaft legten und ihr Publikum völlig auflösten. "Landungsbrücken raus". Dieses Bild verdient mehr denn jeh Applaus!
Ich bin glücklich darüber, das erlebt zu haben, was es an dem Abend zu erleben gab, und darüber, das sich Kettcar für München, als einen der Festivalsorte entschieden hat. Danke!
Am 01.12.2012 ist das gesamte Line up in Köln, und am 02.12.2012 in Wiesbaden. Ein absoluter Pflichttermin für jeden, der Indie-Musik mag. Und Musik kann so glücklich machen.
Viel Freude beim Hingehen und Entdecken!

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